Published On: 15 Februar 22 / Categories: Online Marketing Allgemein / 5,6 min read / By /

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Aufmerksamkeit ist eines der kostbarsten Güter im Netz. Das trifft nicht nur auf Video-Produktionen zu, die im Internet eine immer wichtigere Rolle spielen. Ein Vortrag von Prof. Dr. Michael Fretschner (Nordakademie) auf der letzten contentixx gab Anlass zu den folgenden Überlegungen mit einigen praktischen Beispielen.

„Aufmerksamkeit … ist die unwiderstehlichste aller Drogen.“ — Georg Franck, Ökonomie der Aufmerksamkeit

Sichtbarkeit allein ist heute im Internet längst keine Garantie für ein erfolgreiches Marketing. Nicht immer erreichen Werbetreibende mit ihren Inhalten ihre Zielgruppen. Das wird besonders an einem Medium deutlich, das für Unternehmen als wesentlicher Baustein zur Kommunikation ihrer Werbebotschaften und Ziele zunehmend wichtiger wird: Videos sind heute schon für rund zwei Drittel aller Internetnutzer ein bevorzugtes Medium, wenn es darum geht, sich über Dienstleistungen, Produkte oder das Renommee eines Unternehmens zu informieren.

„Hier bin ich Mensch, hier kauf ich ein.“ – Leider ist das im Netz nicht zwangsläufig: Aufmerksamkeit ist ein rares Gut. Schließlich sind User heute interaktiver, reizüberfluteter, schneller und ungeduldiger unterwegs als jede Generation vor ihnen. Das stellt Unternehmen vor Herausforderungen bei der Wahl der richtigen Marketing-Strategie. Der folgende Beitrag greift einige Aspekte des Vortags zur „Aufmerksamkeitsökonomie“ von Michael Fretschner auf der letzten contentixx auf. Welche Anforderungen sich daraus für das Video-Marketing (Youtube & Co.) ergeben, lässt sich mit Einschränkungen auch auf andere Bereiche zur Optimierung von Internetseiten (Webdesign, Textentwicklung) übertragen. Achtung: Jetzt wirds erst mal theoretisch, aber jedes Kochrezept findet ein genussvolles Ende, versprochen!

„Huch, die reden mit mir“: Content Shock, vom Schwinden der Aufmerksamkeit im Netz

Beginnen wir mit einem Paradox: Innerhalb von 60 Internet-Sekunden werden auf Youtube rund 100 Stunden Videomaterial hochgeladen. Im gleichen Zeitraum konkurrieren etwa zehn Millionen Werbeanzeigen im Netz um die Gunst von Zielgruppen. – Der Reichtum an „Information erzeugt eine Knappheit an dem, was Informationen verbrauchen: Aufmerksamkeit“ (Herbert A. Simon). Marketingberater sprechen hier auch von einem „Content Shock“, einem Ungleichgewicht exponentiell wachsender Content-Inhalte bei gleichzeitig stagnierender Nachfrage. Das Überangebot an Inhalten kannibalisiert sozusagen die natürliche Aufnahmekapazität der User.

content-shock

Wie Studien belegen, erhalten lediglich 5 Prozent aller Videos im Netz eine Aufmerksamkeit von mehr als einer Sekunde. Um diese Klippe zu überspringen und die richtigen Zielgruppen zu erreichen, ist Content nur ein Mittel zum Zweck, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Auf dem Weg dorthin gilt es allerdings, drei Hürden zu nehmen und den User auf unterschiedlichen Ebenen anzusprechen, so Michael Fretschner in seinem Vortrag:

System 0 – (Auge) – „Ich sehe“

System 1 – Emotionen hervorrufen (Herz) – „Ich mag“

System 2 – Plausibilität erzeugen (Hirn) – „Ich vertraue“

Das von Fretschner vorgestellte Modell orientiert sich unter anderem an den berühmten Untersuchungen von Daniel Kahnemann („Thinking, Fast and Slow“, unbedingt lesenswert!). Sehr verkürzt gesagt: Unsere Intuitionen (System 1: automatisches, „schnelles Denken“) sind in der Regel die Eintrittskarte für unser Urteilsvermögen (System 2: „langsames Denken“ als rationaler Gatekeeper) und beeinflussen wesentlich unsere Entscheidungen bis zur Selbsttäuschung. Unter Marketing-Gesichtspunkten lässt sich das Nutzerverhalten im Netz also bestmöglich auf der intuitiven Ebene ansprechen und zur gewünschten Reaktion lenken. Um ein etwas abseitiges Bild zu gebrauchen: Auf der Männertoilette verführt uns die Fliege im Ausguss zu mehr Treffsicherheit (Framing-Effekt).

Aufmerksamkeitshürden mit den richtigen Strategien im Netz überspringen

„Es ist egal, wie gut dein Inhalt ist, wenn er nicht den richtigen Kontext trifft.“ — Wendy Clark, Coca-Cola-Marketing

Die rein informative Funktion von Videobotschaften wird im Netz immer unwichtiger! Aufmerksamkeit erzielen vielmehr solche Inhalte, die Nutzer emotional mitnehmen und ihre persönlichen Bedürfnisse ansprechen. Dafür stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Michael Fretschner spricht unter anderem von sogenannten „Aufmerksamkeitsankern“. Hier zwei wesentliche Bausteine:

Aufmerksamkeitshürden mit den richtigen Strategien im Netz überspringen

Gutes Storytelling war immer schon ein Mittel der Werbeansprache. Aus den Hochzeiten des Werbefilms der 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts hier nur das Beispiel von Dr. Oetker unter dem Titel „Wenn man‘s eilig hat“ mit einigen zeittypischen Kernaussagen (zum Schmunzeln!): „Sie wissen ja, eine Frau hat zwei Lebensfragen: Was soll ich anziehen und was soll ich kochen?“ Der besondere Zeithorizont ist nicht nur hier tragendes Element der Film-Werbung: Wir blicken in die Köpfe und Gefühlswelten von Zielgruppen.

Wie geschickt sich Videos im Netz heute platzieren lassen und emotional binden, zeigt sich an zwei zeitgemäßen Werbespots, die Furore gemacht haben: „Love at First Taste“ von Knorr in Zusammenarbeit mit der Agentur Mullen Lowe (rund 60 Millionen Aufrufe im Netz) und „Der Wunsch“ von Penny, der hierzulande Weihnachten 2021 auf Youtube online ging (17 Millionen Aufrufe).

gelungenes-video-marketing

Knorr hat sich einen Imagewechsel einfallen lassen, um neue Zielgruppen mit der besonderen Leidenschaft für Kochen und Essen zu erobern: Weg von „schnell und einfach“ hin zu dem besonderen Erlebnis nach dem Motto „Liebe geht durch den Magen“. Das kann man sich durchaus wörtlich auf der Zunge zergehen lassen, denn die Bilder zeigen Genuss-Begegnungen von sympathischen Menschen, die sich beim Essen einfach sehr nahekommen.

Bei dem Penny-Spot werden jugendliche Gefühle in Zeiten von Corona aufgerufen. Die Befindlichkeiten einer pandemievergessenen Generation Heranwachsender, ihr Wunsch nach Freiheit und authentischer Selbstverwirklichung wird in Spielfilmqualität so auf den Punkt gebracht, dass man sich kaum entziehen kann. Und: An Weihnachten sind unsere Gefühlswelten natürlich besonders zugänglich. Das wissen auch andere Marktteilnehmer jedes Jahr für sich zu nutzen.

Was beide Spots auszeichnet:

  • eine genaue Markt- und Zielgruppenanalyse im Vorfeld
  • eine emotionale Bildsprache, weit entfernt von einereinen Produktpräsentation
  • stereotype Zuspitzung auf einfache Grundaussagen

Je weniger die Inhalte ein konkretes Produkt bewerben und zum Kauf auffordern, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie eine positive Wirkung haben – durch aktives Erleben, Stimmungen und glaubwürdige Protagonisten, mit denen man sich identifizieren kann. Die Markennamen „Knorr“ und „Penny“ spielen in beiden „Erzählungen“ so gut wie keine Rolle!

Videos für eine zielgruppengerechte Ansprache auf Webseiten

Bewegte Bilder sagen mehr als 1000 Worte: Vor allem auf Verkaufsportalen sind Videos mittlerweile zu einem bewährten Tool für die Neukundengewinnung im Internet geworden. Neben Bildern und Info-Grafiken dienen Sie der schnellen Aufnahme von Informationen, vorausgesetzt sie sind als „Aufmerksamkeitsanker“ intelligent platziert.

Auch hier gilt: Werbemittel und Werbeumfeld sollten unbedingt zusammenpassen, um die Attraktivitätswerte zu steigern. Videos, die wahrgenommen werden sollen, brauchen einen ansprechenden Rahmen. Hier kommt es auf ein Textumfeld an, das zielführend auf die gebotenen Inhalte hinführt und zusätzliche Anreize bietet. Videos auf Webseiten sind somit eingebunden in ein ganzheitliches Werbekonzept, bei dem sich Texte, Bilder, Grafiken und Videos wechselseitig ergänzen.

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